Kulurelle Ökosystemleistungen

Kulturelle Ökosystemleistungen, Lebensqualität und deren Rolle in der privaten Landnutzung

 

Hintergrund

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Die Kulturlandschaften Europas sind geprägt von der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, die die Erzeugung von Nahrungsmitteln und Rohstoffen anstrebt. Neben diesen ökonomisch verwertbaren Leistungen erbringen Kulturlandschaften aber auch solche, die typischerweise nicht oder nicht unmittelbar von der Gesellschaft wahrgenommen, anerkannt und entgolten werden. Dies umfasst beispielsweise die Bodenbildung oder den Hochwasserschutz, aber auch so genannte kulturelle Ökosystemleistungen. Hierunter versteht man alle immateriellen Formen des Nutzens. Sie werden besonders auf der Ebene der Landschaft(en) fassbar. Relativ gut greifbar ist der Wert einer Landschaft für Naherholung und Tourismus. Landschaften bilden aber auch die Matrix für ästhetische und spirituelle Erfahrungen. Nicht zuletzt gelten Ökosysteme und ihre Nutzung als Kulturlandschaften für die örtliche Bevölkerung als Zentrum der Herausbildung von Identität, sozialen Netzwerken und Lebensstilen.

Dies legt den Schluss nahe, dass kulturelle Ökosystemleistungen in einem engen Zusammenhang mit der empfundenen Lebensqualität zumindest der Bevölkerung im ländlichen Raum stehen. Die konkreten Ausprägungen und Zusammenhänge mit bestimmten Landnutzungspraktiken und Landschaftsformen werden bisher jedoch kaum konkret gefasst.

Vielfach belegt ist die begrenzte Wirksamkeit politischer Steuerungsstrategien der privaten Landnutzung. In diesem Zusammenhang wird die Bedeutung sozial und kulturell verwurzelter Motivationen betont, beispielsweise angesichts des Festhaltens an bestimmten Landnutzungsformen, die im Widerspruch zur ökonomischen Rationalität stehen. Auch hier bleiben die genauen Wirkungszusammenhänge zwischen immateriellen Werten, Lebensqualität und dem Entscheidungsverhalten privater Landnutzer bislang jedoch unklar.

 

Ziel des Projektes

Ziel des Teilprojekts ist es, kulturelle Ökosystemleistungen und ihren konkreten Zusammenhang mit bestimmten Landnutzungspraktiken sowie mit der Lebensqualität von Akteuren der privaten Landnutzung sowie der lokalen Bevölkerung herauszuarbeiten. Hieraus sollen Erkenntnisse für das Entscheidungsverhalten im Landnutzungsbereich sowie die Möglichkeiten einer politischen Steuerung abgeleitet werden.

Das Projekt ist Teil des Forschungsverbunds der Nachwuchsgruppe "Ökosystemleistungen" innerhalb des BMBF-Programms "Sozial-ökologische Forschung". In diesem Rahmen wird es beitragen zu übergeordneten Fragen im Themenfeld "Marktbasierte Instrumente für Ökosystemleistungen - Triebkräfte, Wirkungen und Gestaltungsmöglichkeiten am Beispiel von Klima- und Naturschutz in mitteleuropäischen Kulturlandschaften".

 

Zentrale Fragen

  • Welche immateriellen Werte verbinden lokale Bevölkerung und besonders Akteure der privaten Landnutzung mit verschiedenen Landschaftselementen sowie Landnutzungspraktiken, die im Rahmen des Natur- bzw. Klimaschutzes bedeutsam sind?
  • Welche Bedeutung haben kulturelle und andere Ökosystemleistungen für die Lebensqualität von privaten Landnutzern und der lokalen Bevölkerung?
  • Welche Rolle spielen immaterielle Werte und Aspekte der Lebensqualität bei der Entscheidung für und Umsetzung von Landnutzungspraktiken?
  • Welche Möglichkeiten und Grenzen beinhalten Strategien der Kommodifizierung (Überführung in marktförmige Güter) für kulturelle Ökosystemleistungen?
  • Wie können kulturelle Ökosystemleistungen und Lebensqualität in politische Steuerungsansätze eingehen und welche Formen und Standards der Einbindung der betroffenen Akteure sind dafür zu empfehlen?

 

Methodik

Als Untersuchungsgebiete dienen die Biosphärenreservate Schwäbische Alb und Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft.

Zentraler methodischer Ansatz ist die qualitative Sozialforschung. Das Spektrum reicht von Methoden der Feldbeobachtung über die Textanalyse hin zu teilstrukturierten Interviews. Ein Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung von neuen Methoden zur Erfassung kultureller Ökosystemleistungen.

Zur Erforschung des Zusammenhangs zwischen Landschaften und Lebensqualität werden quantitativ auswertbare Kurzinterviews durchgeführt, die sich an die in der Ethnologie gebräuchlichen freelisting-Interviews anlehnen. Dieser Ansatz wird anhand von Erhebungen in den beiden Untersuchungsgebieten in Deutschland sowie im Nationalpark Hohe Tauern in Österreich getestet.

 

Erste Ergebnisse

Eine zunächst durchgeführte Analyse von aktuellen Studien zeigt, dass zu kulturellen Ökosystemleistungen erhebliche erhebliche Erkenntnislücken bestehen. Ein großes Potenzial bietet hier eine Verknüpfung mit der Kulturlandschaftsforschung, der konzeptionelle und methodische Zugänge sowie inhaltliche Kenntnisse entlehnt werden können. 


In methodischer Hinsicht wurde ein landschaftsanalysegestütztes Verfahren zur Exploration kultureller Ökosystemleistungen entwickelt und getestet. Diese Analyse sichtbarer Manifestationen von Nutzungen, bei denen immaterielle Werte im Mittelpunkt stehen, bietet konkrete und räumlich explizite Einsichten zum Vorkommen kultureller Ökosystemleistungen. 

 

Erste tiefgehende Erkenntnisse zu immateriellen Formen des Nutzens, ihrem Zusammenhang mit Lebensqualität sowie ihrer Bedeutung in der Landnutzung speisen sich aus zwei Quellen: Auf der Schwäbischen Alb und in der Oberlausitz wurden offene bis halbstrukturierte Interviews mit Landnutzern durchgeführt. Auf der Schwäbischen Alb wurden zudem Kurzgeschichten, die im Rahmen eines von der Biosphärengebietsverwaltung ausgeschriebenen Wettbewerbs eingesandt wurden, im Hinblick auf mit der Region verbundene Wahrnehmungen und Werte analysiert. Es zeigt sich, dass vielfältige immaterielle Formen des Nutzens bestehen. Neben der tiefgehenden  Beschreibung über Schlagworte wie „Heimat“ oder „Identität“ hinaus besteht eine zentrale Einsicht in der starken Ortsgebundenheit bzw. fehlenden Ersetzbarkeit dieser immateriellen Werte. Es zeigt sich, dass kulturelle Ökosystemleistungen einen engen Zusammenhang mit Lebensqualität aufweisen und in der Landnutzung eine hohe Bedeutung haben – als wichtiges Motiv in Entscheidungen von Landnutzern einerseits sowie andererseits als argumentativer Hebel für die Förderung gesellschaftlichen Engagements zur Landschaftserhaltung und -entwicklung. 

 


Projektlaufzeit:

Mai 2009 - Juli 2013

Finanzierung:

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF),Förderschwerpunkt Sozial-ökologische Forschung (SÖF)

Bearbeitung:

Dr. Claudia Bieling

Partner:

Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Ökoinstitut, Ecologic

 

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