Lichte Wälder

Lichte Wälder durch Beweidung: Genese, Bedeutung als Biotope, Stellenwert in der Landschaft und im Naturschutz in Baden-Württemberg

 

Problemstellung

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Abb. 1: Weiderind beim Verzehr nährstoffreichen Eschenlaubs (Fraxinus excelsior) (© M. Rupp)

Die Bedeutung „lichter Wälder“ für den Naturschutz und das Landschaftsbild wird immer wichtiger. Dieser ökotonreiche Lebensraum nimmt aber in Fläche und Vorkommen stetig ab. Durch scharfe Grenzen zwischen Wald und Offenland kommt der Artentransfer zwischen diesen Biotopen zum Erliegen, das Lebensraumangebot für die Arten des Halboffenen wird knapper und vielerorts ist als Folge dessen eine Reduktion der Biodiversität zu beklagen.

Eine vielversprechende Möglichkeit, Wälder aufzulockern bzw. aufgelockert zu erhalten und mit dem Offenland zu verzahnen, ist die Anwendung der historischen Landnutzungsform der Waldweide. Den Folgeeffekten dieser Wirtschaftsmethode, wie etwa die Veränderung der Vegetations- und Bodenoberflächenstruktur, wird ein entscheidender Einfluss auf die lokale Biodiversität zugesprochen.

Durch die bisherigen Forschungen im Zuge des Projekts „Lichte Wälder durch Beweidung“ konnte eine unerwartet hohe Zahl naturschutzfachlich fundiert betreuter und untersuchungswürdiger moderner Waldweiden in Baden-Württemberg ausfindig gemacht werden. Diese Flächen sind räumlich über das ganze Bundesland verteilt und zeichnen sich durch starke standörtliche und kulturgeschichtliche Heterogenität aus. Ökologische und sozialempirische Untersuchungen der beweideten lichten Waldflächen (blW) tragen dazu bei, tiefere Erkenntnisse zur lokalen Biodiversität und der Bedeutung dieser Wirtschaftsweise in der Landschaft zu gewinnen und damit der Verantwortung der heutigen Zeit nachzukommen.

 

Ziele

  • Die pauschale Trennung von Wald und Weide hinterfragen und Handlungsoptionen für die Zukunft aufzuzeigen.
  • Dazu erforschen, was die beweideten lichten Waldflächen an Biodiversität und Dynamisierung der Landschaft für die Zukunft erwarten lassen.
  • Zusätzlich den Begriffen „Biodiversität“ und „Naturschutzrelevanz von fakultativer Waldweide“ inhaltliche Qualitäten zuordnen.

 

Methodik

Abb. 2: Durchführung der Frequenzmethode im unbeweideten Teil einer Untersuchungsfläche unter Mithilfe von M. Oelke (© M. Rupp)

Es wird auf drei Bearbeitungsebenen agiert. Die erste Ebene ist die standortskundliche Beschreibung der ausfindig gemachten blW mit einer ausführlichen Fotodokumentation und Erfassung biotischer sowie abiotischer Flächenparameter und deren Kartierung. Die zweite Bearbeitungsebene ist die detaillierte ökologische Untersuchung ausgewählter Waldweideflächen mit langjähriger Weidetradition. Grenzt der beweidete lichte Wald direkt an einen unbeweideten Wald und herrschen in beiden Biotopen ähnliche Standortbedingungen, so können floristische Paarvergleiche gemacht werden. Dazu werden Flächenpendants auf der unbeweideten und der beweideten Waldseite gesucht und darin die Frequenzmethode angewendet (vgl. Abbildung 2). 

Bei der Auswertung der ersten feldökologischen Daten zeigt sich ein deutlicher Gradient im Vorkommen der Pflanzenarten zwischen beweideten lichten Waldbereichen und unbeweideten Wäldern auf gleichen Standorten. Es zeichnet sich eine Eignung der Waldweide zur Dynamisierung, Offenhaltung und Diversifizierung von Waldbiotopen bei gutem Management ab. Bodennasse Flächen eigenen sich wegen der zerstörerischen Wirkung des Trittes des Weideviehs auf den Boden nicht oder nur in sehr begrenztem Maße für eine Beweidung.

Mittels leitfadengestützter, halbstrukturierter Experteninterviews werden auf der dritten Ebene sowohl die Betriebstrukturen, das Weidemanagement und die Biotoptradition als auch die Zukunft der Flächennutzung abgeklärt. Befragungen der Flächenbetreiber und Mitarbeiter in den Verwaltungen ergaben, dass i.d.R. aus naturschutzfachlicher oder ästhetischer Motivation oder Traditionsverständnis agiert wird. Dabei sind die meisten Flächen von Seiten der Forstverwaltung überprüft und die Weideprojekte genehmigt worden.

 

Erste Ergebnisse

Die Waldbeweidung kann als Instrument zur Erfüllung naturschutzfachlicher Ziele Anwendung finden. Dabei ist diese Methode kostengünstiger und nachhaltiger als die maschineller Flächenpflege. Für den Tierhalter bietet der Wald praktische Funktionen als Unterstand bei Schlechtwetterlagen oder Hitze ( Bunzel-Drüke et al. 2008, www.waldwissen.net ), Rückzugsraum bei Stechinsektendruck im Offenland, Deckungsangebot bei Geburten (Mutterkuhhaltung), Nahrungsergänzung (mineralien- und nährstoffreiche Laub- und Rindenkost, vgl. Abbildung 1), Rückzugsraum zum Wiederkäuen und Ausbildung von artgerechtem Raum- und Zeitverhalten.

In den folgenden zwei Projektjahren werden die Untersuchungen vertieft. Das Ziel ist, praktische Vorgehensweisen zum Erhalt und zur Etablierung dynamischer Biotope mittels Waldweide ableiten. Zusätzlich können geeignete bzw. ungeeignete Biotope beschrieben und einen Katalog an zu erwartenden positiven und negativen Folgen in den jeweiligen Biotopen einer solchen Weidemaßnahme erstellt werden. Daraus resultiert die Erarbeitung von Entscheidungskriterien, bei welcher naturräumlichen Ausstattung und unter welchen sozioökonomischen Bedingungen die Beweidung von lichten Wäldern angewendet werden kann. 

 


Projektlaufzeit:

August 2008 - Juli 2011

Finanzierung:

Stiftung Naturschutzfonds beim Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum Baden-Württemberg

Betreuung:

Prof. Dr. Werner Konold

Bearbeitung:

Mattias Rupp

 

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