Waldeigentum

Ökosystemleistungen von Wäldern unterschiedlicher Besitzart und -struktur

 

Hintergrund

In der mitteleuropäischen Kulturlandschaft stehen Wälder in einem komplexen Funktionskontext und erbringen viele wertvolle Ökosystemleistungen, wie Holzproduktion,  Boden- und Erosionsschutz, als Wasserspeicher und Trinkwasserlieferant oder als Erholungs- und Lebensraum. Aktuell erfährt die Holznutzung als Produktionsleistung im Zuge der Klimaschutzinitiativen zunehmend einen Bedeutungswandel, da Waldökosysteme die größten Speicher der terrestrischen Biosphäre darstellen. Maßnahmen zur Erhöhung der Kohlenstoff-Sequestrierung im Wald zum einen und Maßnahmen der verstärkten Biomassenutzung aus Wäldern zum anderen könnten die Produktionsleistungen des Waldes über die Holzerzeugung weiter in den Vordergrund rücken und so zu einer Verschiebung im Funktionsgefüge aller Ökosystemleistungen führen. Die trade-offs und Entscheidungen, welche Ökosystemleistungen gefördert oder priorisiert bzw. welche Anreizinstrumente angenommen werden, hängen stark vom Waldbesitzer, seinen Zielen und den Rahmenbedingungen (Waldgröße, Standort, Lage), unter denen er produziert, ab.

Waldbesitzer hatten bislang wenig oder keine Anreize zur Förderung anderer  Ökosystemleistungen als der Holzproduktion, da traditionell durch den Holzverkauf das Einkommen generiert wurde. Zudem stehen positive Effekte von alternativen Bewirtschaftungskonzepten oft in räumlicher und zeitlicher Distanz zu heutigen Nutzungsentscheidung. Aufgrund der verschiedenen Waldbesitzstrukturen und Waldbewirtschaftungsformen wurde trotzdem ein Waldmosaik geschaffen, das unterschiedlichste Ökosystemleitungen hervorbringt. Die Potenziale der jeweiligen Waldstandorte für Klima- und Naturschutz werden dabei aber nicht immer effizient genutzt.

 

Ziel und Hypothese des Projektes

Das Projekt untersucht den Einfluss von Eigentumsformen und Bewirtschaftungspraxis auf die Struktur und Biodiversität von Wäldern und generiert Steuerungsmöglichkeiten, wie die Potenziale der Kohlenstoff-Sequestrierung, der Biomassenutzung, der Bereitstellung von Biodiversität und anderer Ökosystemleistungen waldbesitzspezifisch gefördert werden können. Das Projekt ist Teil des Forschungsverbunds der Nachwuchsgruppe "Ökosystemleistungen" innerhalb des BMBF-Programms "Sozial-ökologische Forschung" und untersucht exemplarisch Wälder der Biosphärengebiete Schwäbische Alb und Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft.

Im Mittelpunkt des Teilprojekts stand die folgende Hypothese: „Verschiedene Waldbesitzstrukturen und Waldbewirtschaftungsformen schufen ein Waldmosaik mit unterschiedlichen Potenzialen für Naturschutz- und Klimaschutzleistungen. Die Steuerung durch angepasste Instrumente wie marktbasierte Anreizsysteme kann diese Natur- und Klimaschutzpotenziale waldbesitzspezifisch fördern“.

 

Zentrale Forschungsfragen

  • Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten weisen die Konzepte der Waldfunktionen und der Ökosystemleistungen auf? Wie kann das Konzept der Waldfunktionen sinnvoll weiterentwickelt werden?
  • Wie unterscheiden sich Diversitätsparameter bzw. Ökosystemleistungen auf der Landschaftsebene zwischen verschiedenen Eigentumsarten in den Wäldern der Untersuchungsgebiete? Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Eigentumsform, Bewirtschaftung und Landschaftsdiversität bzw. Ökosystemleistungen?
  • Unterscheiden sich Holzvorrat, Bestandesstruktur und Artenvielfalt zwischen Waldbeständen unterschiedlicher Eigentumsform? Lassen sich spezifische Muster und Korrelationen von Parametern der Biodiversität, der Kohlenstoffspeicherung und dem Waldeigentum erkennen?
  • Wie wirken sich Einstellungen und Ziele von Privatwald- und insbesondere Kleinprivatwaldbesitzern auf Bestandesstruktur, Vorrat und Biodiversität im Wald aus?
  • Wie können bestimmte Leistungen gefördert und Synergien genutzt bzw. Anreize für die gezielte Optimierung einer oder mehrerer Leistungen in den verschiedenen Waldeigentumsformen geschaffen werden?

 

Methodik

Das Teilprojekt fußt auf einer landschaftshistorischen Studie der Wälder in den Untersuchungsgebieten, die die Eigentums- und Bewirtschaftungsgeschichte der letzten ca. 150 Jahre auf verschiedenen räumlichen Skalenebenen möglichst flächenscharf aufarbeitet. In geeigneten Ausschnitten der Waldlandschaft werden großräumig Parameter der Biodiversiät und der Kohlenstoffspeicherung erfasst und Muster in Bezug zu Eigentum und Bewirtschaftung identifiziert. Dazu werden Luftbilder, Metadaten aus Forsteinrichtungen, Waldfunktionenkartierung, Waldbiotopkartierung, Bestandes- und Standortskarten und das Liegenschaftskataster herangezogen. Ein Vergleich von Wäldern mit vergleichbarer Standortausstattung wird auf Ebene des Bestandes bzw. der Parzelle durchgeführt. Hier werden Vegetationsaufnahmen, Strukturerhebungen und Bodenanalysen durchgeführt. Außerdem sollen vorhandene Typisierungen und Profile von Waldbesitzern zu Einstellungen und Zielsetzungen mit der konkreten Ausstattung der Wälder verglichen und die Akzeptanz der Besitzer für markt-basierte Anreizinstrumente über Interviews untersucht werden.

 

Ergebnisse

Die Konzepte der Waldfunktionen und der Ökosystemleistungen zeigen trotz gravierender Unterschiede, wie Entstehungsalter oder der räumlichen Bezugsebene, erstaunliche Gemeinsamkeiten in ihrer utilitaristischen Ausrichtung, der einbezogenen Leistungen und der Herausforderungen einer Umsetzung in die Praxis. Das Konzept der Ökosystemleistungen ist allerdings auf die Umsetzung mit marktbasierten Instrumenten ausgerichtet und ermöglicht die Analyse von trade-offs zwischen der Bereitstellung verschiedener Leistungen. Für die Umsetzung des Konzepts kann man aus der historischen Analyse der Waldfunktionen konstatieren, dass die mono-funktionale Förderung einer einzelnen Leistung (wie z.B. der Holzproduktion oder der Kohlenstoffspeicherleistung) große Risken birgt. Dies spricht dafür, die Bereitstellung von Bündeln von Ökosystemleistungen in Zukunft zu fördern bzw. bei der Förderung einer Ökosystemleistung verbindliche „Leitplanken“ für weitere wichtige Leistungen vorzusehen.


Die Analyse der Nutzungsgeschichte der Wälder in Süddeutschland zeigt deutliche Unterschiede zwischen den Waldeigentumsarten. Generell wird in mehreren Quellen der im Vergleich zu den Kommunalwäldern schlecht gepflegte und übernutzte Zustand des Staatswalds im 18. Jahrhundert erwähnt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde daraufhin im Staatswald von einer Nieder- und Mittelwaldwirtschaft auf eine nachhaltige Hochwaldwirtschaft umgestellt und Rechte für Nebennutzungen (wie Waldweide, Streunutzung) abgelöst. Diese Entwicklung verstärkte den Nutzungsdruck vor allem der Streu- und Brennholznutzung auf die Kommunalwälder und Kleinprivatwälder. Hier kam es erst 80-100 Jahre später zur Hochwaldkonversion, und die Streunutzungen wurden teils noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts betrieben.


Die Bedeutung unterschiedlicher Formen des Landeigentums zum Schutz von Biodiversität und Ökosystemleistungen wurde in Waldbeständen auf der Schwäbischen Alb untersucht, die räumlich nebeneinander liegen, sich jedoch in unterschiedlichem Eigentum befinden (staatlich, kommunal, privat). Obwohl eine naturnahe Waldbewirtschaftung seit Jahren das Hauptziel in staatlichen Wäldern ist, unterscheidet sich auf den untersuchten Flächen die Baumartenvielfalt nicht nennenswert von den Wäldern in kommunalem und privatem Besitz. Währenddessen zeigt sich, dass die kleinteiligen privaten Wälder im Vergleich die höchste strukturelle Diversität (z.B. mehr Altholz, größere Unterschiede in der Dichte und Schichtung der Bestände) und Kapazität zur Kohlenstoffspeicherung sowie die größten für Biodiversität so wichtigen Totholzbestände aufweisen. Der hohe ökologische Wert dieser kleinen Privatwälder, z.B. zum Schutz von auf Alt- und Totholz angewiesene Arten, ist mutmaßlich durch weniger intensive und stärker diverse Nutzungspraktiken bedingt als in staatlichem und kommunalem Waldflächen, in denen in den vergangenen Jahrzehnten die Versorgungsleistungen eine größere Rolle spielten. 


Entscheidend für diese Ergebnisse ist, dass die Privatwälder auf der Schwäbischen Alb meist sehr klein sind (weniger als 20 Hektar) und eine Stammholznutzung aufgrund der niedrigen Holzpreise der vergangenen Jahrzehnte eher eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Die Waldeigentümer folgen in der Nutzung ihrer Wälder ganz unterschiedlichen Interessen und Motiven, die von einem Nutzungsverzicht über die Brenn- und Stammholznutzung bis hin zu  eher ideelle Motiven wie Erholung oder Naturschutz reichen. Dieses vorherrschende sehr breite Spektrum an Motiven und Management-Praktiken scheint eine hohe Diversität in den Waldstrukturen hervorzubringen.

 

Der Kleinprivatwald ist mit einer hohen Strukturvielfalt und Kohlenstoffspeicherleistung bei Erhalt der floristischen Vielfalt ein wichtiger Teil der Waldlandschaft. Daher sollten Waldumbau- und Holzmobilisierungsinitiativen für den Privatwald hinterfragt und gezielte waldeigentumsspezifische Anreize für Biodiversitäts- und Klimaschutzleistungen konzipiert werden, um die Potenziale der verschiedenen Waldeigentumsarten besser nutzen zu können. Um die existierende Diversität in kleinen Privatwäldern in Zeiten wieder steigender Holzpreise zu erhalten, sollten die bestehenden Politikinstrumente zur Umsetzung von Naturschutz im Wald wie forstliche Förderung und Vertragsnaturschutz angepasst werden. Auch Besitzer von Kleinstflächen sollten sie in Anspruch nehmen können und finanzielle Anreize für Biodiversitätsschutz oder den Ausgleich für den Erhalt von Altbeständen und Totholz sollten entsprechend attraktiv ausgestaltet sein. Zudem werden aktive Bewusstseinsbildung, fachliche Beratung und öffentliche Anerkennung von erbrachten Leistungen der Privatwaldeigentümer zunehmend wichtiger. Im Staats- und Kommunalwald sollten die Strukturvielfalt durch die konsequente Umsetzung von Alt- und Totholzkonzept und die Vielfalt der Holzernte- und Durchforstungssystemen erhöht werden.

Auch über das Instrument der Kompensationsmaßnahmen im Rahmen der Eingriffsregelung des BNatSchG können ökologische Aufwertungen von Waldbeständen in verschiedenen Waldeigentumsformen realisiert werden. Hierzu ist eine Erweiterung um naturschutzfachlich sinnvolle und effiziente Maßnahmen wie z.B. der Förderung von Alt- und Totholz oder der Wiederaufnahme traditioneller Waldbewirtschaftungsformen (z.B. Mittelwald) der Kompensations- bzw. Ökokontoverordnungen notwendig. Generell sollten die Instrumente des Waldnaturschutzes bei der Formulierung von Zielvorgaben und Schwellenwerte die Ebene der Waldlandschaft und somit die regional sehr unterschiedlichen Eigentumsstrukturen, Ausstattungen der Waldbestände und damit verbundenen Potenziale zur Bereitstellung von Ökosystemleistungen einbeziehen.

 

Ausgewählte Publikationen

SCHAICH, H. & PLIENINGER, T. (2013): Land ownership drives stand structure and carbon storage of deciduous temperate forests. Forest Ecology and Management 305: 146-157, available online doi: 10.1016/j.foreco.2013.05.013

PLIENINGER, T., BIELING, C., OHNESORGE, B., SCHAICH, H., SCHLEYER, C. & WOLFF, F. (2013): Exploring futures of ecosystem services in cultural landscapes through participatory scenario development in the Swabian Alb, Germany. Ecology and Society 18 (3): 39, available online doi: 10.5751/ES-05802-180339

SCHAICH, H. (2013): Instrumente des Waldnaturschutzes und die Rolle von Ökosystemleistungen. In: Ring, I. (Hrsg.): Der Nutzen von Ökonomie und Ökosystemleistungen für die Naturschutzpraxis – Workshop III: Wälder. BfN-Skripten 334. Bonn-Bad Godesberg, Bundesamt für Naturschutz: 44-55, pdf-download

PISTORIUS, T., SCHAICH, H., WINKEL, G., PLIENINGER, T., BIELING, C., KONOLD, W. & VOLZ, K.-R. (2012): Lessons for REDDplus: A comparative analysis of the German discourse on forest functions and the global ecosystem services debate. Forest Policy and Economics 8: 4-12, available online: doi: 10.1016/j.forpol.2011.09.00

SCHAICH, H. & KONOLD, W. (2012): Honorierung ökologischer Leistungen der Forstwirtschaft - Neue Wege für Kompensationsmaßnahmen im Wald? Naturschutz und Landschaftsplanung 44 (1): 5-13 (pdf-Datei, 4 MB)

SCHAICH, H., BIELING, C. & PLIENINGER, T. (2010): Linking ecosystem services with cultural landscape research. GAIA - Ecological Perspectives for Science and Society 19 (4): 269-277 (pdf-Datei, 231 KB)

  


Projektlaufzeit:

Mai 2009 - August 2013

Finanzierung:

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF),Förderschwerpunkt Sozial-ökologische Forschung (SÖF), Eigenmittel

Bearbeitung:

Dr. Harald Schaich

Partner:

Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Ökoinstitut, Ecologic

 

 

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